Mein letzter Artikel ist fast zwei Wochen her, obwohl ich mir eigentlich vorgenommen hatte, um die zwei bis drei Artikel pro Woche zu schreiben. In diesem Fall hatte das aber auch einen Grund: Meine geistige Kapazität war schlicht nicht groß genug, mich auch noch auf Blog-Artikel zu konzentrieren.

Mein Gehirn funktioniert nämlich so, dass seine Aufnahmekapazität auf eine bestimmte Anzahl von Themen (wie viele das sind, kann ich nicht sagen) begrenzt ist. Über diese Sachen grübelt mein Kopf dann unentwegt nach. Und zwar so lange, bis das Thema erledigt ist. Und jetzt, wo ein paar Themen erledigt sind, ist auch wieder Platz für neue Artikel und die Gedanken und Ideen sprudeln aus mir raus wie das Mittagessen aus einem Supermodel.

Vor der Übergabe

Heute ist er also da, der Tag der Wohnungsübergabe. An einem Sonntag, da meine Vermieterin ziemlich busy ist. Da Wochentage für mich in Zukunft aber eh keinerlei Bedeutung mehr haben sollen, ist das völlig egal. Der Zug von Frankfurt nach Hannover ist recht leer und entspannt. Vor einer Stunde im Bett ist mir aufgefallen, dass sich das Frühstücksverhalten bei mir und meinem Freund erheblich vom Verhalten der meisten anderen Menschen unterscheidet: Während der Deutsche Brötchen isst und einen Kaffee trinkt, ist es bei meinem Freund eher Poppers und bei mir ein delikater Aperol Spritz. Guten Morgen Welt.

Die letzten Tage waren wirklich recht stressig. Noch bis Mittwoch habe ich zwischen acht und zehn Stunden täglich an einem Kundenprojekt gearbeitet, am Donnerstag und Freitag war dann das primäre Ziel, die Wohnung für die Übergabe fit zu machen. Ich denke, das hat am Ende auch ganz gut geklappt. Der defekte Türrahmen wurde repariert, die Maler haben vorbildlich die meisten der Wände gestrichen und das Reinigungsunternehmen hat jeder Form von Dreck, Staub und Kalk den Gar ausgemacht.

Lediglich der Endgegner blieb an mir selbst hängen: Der Backofen. Ein wichtiges Learning für die Zukunft: Niemals einen Backofen ohne Reinigungsprogramm erwerben. Es hat mich ganze fünf Stunden und um die 15 Euro an Material gekostet, dieses Kackteil sauber zu bekommen. Zeitweise war ich so sauer auf den Apparat, dass ich ihn am Liebsten aus der Küche gerissen und aus dem Fenster geschmissen hätte. Der Haut-Anteil an meinen Händen hat sich um mindestens zehn Prozent reduziert und meine Unterarme haben an einem Tag mehr Chemie gesehen als mein Gesicht im letzten Jahr.

Schon am Wochenende zuvor gab es eine Art Abschiedsparty, bei denen die Corona-Regeln zugegeben etwas freier interpretiert wurden. Zu unser Verteidigung muss man allerdings dazu sagen, dass der Großteil mindestens einmal geimpft war und der Rest einen negativen Test hatte. Das war einfach nur Spaß. Also die Party, nicht Impfung und Test. Auch die Lautstärke-Begrenzung wurde frei interpretiert. Noch nie zuvor hatte ich die Lautstärke der Bose-Anlage auf mehr als 65 von 100 angehoben, an diesem letzten Tag war es dann soweit. Ist ja auch egal, scheiss auf die Nachbarn. Meine Nachbarn haben ebenfalls gefeiert. Und da meine Gäste gegen 2:30 Uhr zu Hause waren, sind wir dann einfach zu den Nachbern rüber, um auch die letzten 1,5 Liter Flaschen des billigen Processo zu Leeren. Mega, ein geiler Abschluss.

Am Donnerstag habe ich es erfolgreich geschafft, auch den letzten überflüssigen Scheiss in meiner Wohnung entweder zu entsorgen, zu verschenken oder zu verkaufen. Eine Bettdecke samt Kissen zum Beispiel ist nicht mehr notwendig, wenn man weder Bett noch Wohnung hat. Gleiches gilt für einen Werkzeugkoffer, eine Leiter und Besteck. Direkt am Freitag habe ich das Besteck vermisst, als ich mein Mittagessen zu mir nehmen wollte und mich dafür im Supermarkt mit Besteck aus Holz ausstatten musste. Natürlich hat dadurch auch das Essen nach Holz geschmeckt. Welche schreckliche politische Partei hat eigentlich das geile und über hunderte Jahre bewährte Plastik-Besteck verboten? Und was sagt da wohl Anna-Lena Bareback zu?!

Als letzten Step habe ich meine übrigen Sachen in eine Lagerbox eingelagert. Das ist ein großes Gebäude, in dem man sich für ca. 20 Euro pro Monat einen kleinen Lagerraum mit einem Kubikmeter Platz mieten kann, also 1m x 1m x 1m. Laut Anbieter passen bis zu 12 Umzugskisten auf die Fläche. Das stimmt und hätte gepasst, allerdings habe ich selbstverständlich keine 12, sondern nur vier Kartons. Davon enthalten zwei meine verliebenden paare Schuhe, einer Winter- und Party-Kleidung, die ich nicht immer rumschleppen werde und der vierte, der übrigens nur zu zehn Prozent gefüllt ist, ein paar Andenken, die ich nicht entsorgen kann oder darf, wenn ich weiterleben will.
Und jetzt ein Break, in wenigen Stunden findet die Übergabe statt.

Nach der Übergabe

Freiheit. Es ist Freiheit. Einfach das pure Gefühl der Freiheit. Und ich muss es erneut wiederholen: Freiheit. So viel davon habe ich wohl nie zuvor gespürt. Ich habe keinen Chef, der mich nervt. Ich habe keine Mietwohnung, die mich nervt. Endlich bin ich an dem Punkt angelangt, an dem ich genau das tun und lassen kann, was ich will. Und was ist das? Das bleibt erstmal fraglich, aber darum geht es in diesem Moment auch nicht. Festzuhalten ist an diesem Punkt nur eines: Freiheit.
Die Übergabe lief sehr smooth. Die Vermieterin kam samt Ehemann und Tochter im Mercedes-Cabrio zum sommerlichen Sonntagsausflug. Der Nachmieter war froh, seine neue Wohnung endlich in die Arme schließen zu können und annähernd keinen Aufwand für Möbelkauf und Umzug haben. Eine klassische Win-Win-Situation, eigentlich sogar eine Win-Win-Win-Situation: Vormieter, Vermieter und Nachmieter.

Selbst die einstünde Verspätung, die mein ICE zurück nach Frankfurt an diesem Abend hat, stört mich nicht. Verspätungen sind ab sofort mein neues Leben. Und da ich dank der überraschend guten Internetverbindung auch aus dem Zug arbeiten kann, ist das kein Problem mehr. Fassen wir es abschließend nochmal auf den Punkt gebracht zusammen: Keine Termine und leicht einen sitzen. Das ist auch meine Definition von Glück.