Ich kann gar nicht so viel trinken, wie ich kotzen möchte. Das bleibt der positivste einleitende Satz, der mir zum Thema Onlinedating einfällt. Und ich entschuldige mich bereits vorab für alle Schimpfwörter und abwertenden Vergleiche, die ich in diesen Artikel einfließen lassen werde.

Noch vor wenigen Jahren konnte man behaupten, dass sich auf Dating-Plattformen vor allen Dingen die Leute tummeln, die im realen Leben niemanden abbekommen. Heute – Corona sei dank – ist diese Ausrede nicht mehr anwendbar und ich brauche dringend eine neue Rechtfertigung dafür, warum man es bestenfalls mit menschlichem Müll zu tun hat. Wenn man kein Hirn hat, kann das Hirn auch nicht in die Hose rutschen. Und auch ohne Hirn schafft man es vorzüglich, die komplette Konversation auf nur ein Thema zu beschränken: Fun. Fun, das ist der moderne und einsilbige Begriff dafür, was man in den 90ern noch als Sex bezeichnet hat. Kein Küssen, keine Konversation, nicht mal ein Glas Wein, obwohl das die Hemmschwelle zumindest etwas in die richtige Position lenken würde.

Die Krux mit dem Profiltext

Seit sich Unicode-Icons so sehr verbreitet haben, ist es viel einfacher, den Profiltext zu füllen. Ein paar Icons sagen mehr als tausend Worte. Und in der Tat besteht auch mein Profiltext zum Großteil aus Icons. So lässt sich meine Liebe zum abendlichen Glas Rotwein mit nur einem Zeichen beschreiben. Und auch wenn ich einen Shot dazu mag, ist nur ein weiteres Icon notwendig. Mehrere Icons hintereinander weg lassen sich als Geschichte interpretieren. Und das Beste: Jeder kann exakt das hineininterpretieren, was er möchte.

Doch was ist die Alternative zu den Icons? Ich habe die Wahl aus gar keinem Text, einem Songtext, wahllos zusammengestellten Gedichten, Informationen über diverse Fetische und nicht zuletzt die allseits beliebte Pro- und Kontra-Liste. Also eine detaillierte Auflistung darüber, was man mag und was man eher nicht möchte. Sinnvoll wird das aber erst dann, wenn es sich in maximal vielen Punkten widerspricht. Achso, und zum Ende darf der obligatorische Hinweis nicht fehlen, dass die verwendeten Profilfotos das eigene Eigentum sind und nicht weiter verbreitet werden dürfen. Sie dürfen nicht kommerziell verwendet werden. Man widerspricht sämtlichen AGB und auch Jesus Christus sowie dem Söder. Blablabla. Wenn du dich bei letzter Sache ertappt fühlst, dann kann ich deinen Eltern nur raten, beim nächsten Mal zu verhüten. Oder gab es etwa Probleme mit den AGB der Kondompackung? Ein weiterer Profitipp: Prep hilft nicht gegen Schwangerschaft, wenn man mit einer Frau schläft.

Die Unschuld vom Lande

Derjenige, der den Ausdruck „die Unschuld vom Lande“ erfunden hat, meinte das wohl auch zur Schaffung schon sarkastisch. In schwulen Kreisen sind die Jungs vom Dorf interessanterweise die, die alle anderen Jungs der umliegenden Städte aus- und inwendig kennen. „Ach, du meinst den aus Celle, ja den hatte ich auch schon“. Celle ist in diesem Beispiel nur ein beliebig austauschbares Beispiel einer niedersächsischen Kleinstadt.

Der Anbieter eines schwulen Dating-Portals hat schon recht zu Beginn eine Funktion eingeführt, mit der man Leute als „bekannt“ markieren kann. Je mehr Leute dich als bekannt markiert haben, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass du ein Faker bist und gar nicht wirklich existierst oder das BMI und/oder Alter im realen Leben verdoppelt sind. Was aber auch kein Geheimnis ist und viele nicht bedenken: Je mehr Leute dich als „bekannt“ markieren, eine desto größere Nutte bist du. Ach nein, man ist natürlich nur auf besagtem Portal angemeldet, um mit seinen Freunden in Kontakt zu bleiben. Das ergibt Sinn und ist durchaus nachvollziehbar. Das nächste Familientreffen sollte ebenfalls bei PlanetRomeo stattfinden.

Fotos oder keine Fotos?

Ach, was sind wir heute wieder diskret. Im Profil lediglich ein Foto der Socken oder der Bauchmuskeln platziert können wir sowohl in der Headline als auch im Profiltext mit Nachdruck erwähnen, wie wichtig uns diese Diskretion ist. Diskretion, geil. Bei dem Wort fällt mir die Rezeption des Hautarztes oder die Warteschlange des Bürgeramtes ein. Bei beiden Dingen bekomme ich keinen hoch. Und auch nicht, wenn ich mir das hundertste Profil ohne Facepic (das ist ein Foto des Gesichtes) angucke. Viel Haut, wenig Gesicht. Wenig Gesicht, viel Wampe. Wenig Gesicht, viele Jahre auf dem Buckel. Wenig Gesicht, viel Diskretion. Es gibt viele Gründe, warum man sein Gesicht nicht zeigen möchte, auch wenn ich für die wenigsten davon Verständnis habe. Angst vor dem Outing oder Angst vor dem Entdecken, dass man fremd geht? In beiden Fällen ist wohl eher Scham als Diskretion angebracht.

Nachdem ich über Leute ohne Fotos hergezogen bin, ziehe ich in diesem Absatz Leute mit Fotos durch den Kakao. Dafür ist der Kakao aber mit Schuss. Achtung, es geht los: Hat man es nach 100 Versuchen endlich geschafft, ein Foto zu schießen, auf dem man nicht völlig gegen die Wand gekackt aussieht, soll dieses natürlich von Bestand sein. Daher wird es nach Bearbeitung durch drei verschiedene Foto-Apps in das Dating-Profil hochgeladen und bleibt für fünf bis zehn Jahre unverändert bestehen. Menschen ändern sich nie und sehen auch nach Jahren noch genauso aus, daher ist das völlig okay. Wohl genau aus diesem Grund ist die Idee entstanden, zu Dates eine Plastiktüte mitzubringen, um sich entweder selbst zu erdrosseln oder das Gesicht des Sexualpartners auszublenden. Dafür hilft auch der besagte Schuss im Kakao, vorausgesetzt man ersetzt den Kakao durch weitere Schüsse.

Lädt man mehrere Fotos hoch, sollte man aufpassen: Dating-Partner sind abgeschreckt, wenn auch nur eines von zehn eingestellten Fotos auf optische Schwächen hindeutet. Auch wenn es nur auf einem einzelnen Foto ist, sollte man keine Brille tragen und das Tragen von Nicht-Marken-Kleidung vermeiden. Sonst wacht man die nächsten acht Jahre ebenfalls alleine auf. Hier gilt: Weniger ist mehr. Auch dem Hintergrund der Fotos gilt es besondere Beachtung zu schenken. Unordnung und hässliche Möbel sind ein No-Go. Woher soll der Betrachter auch wissen, dass das Foto in einem Altersheim aufgenommen wurde, in dem du nur arbeitest? Für diesen Zweck gibt es eine sogenannte Background-Blur Funktion, auf iPhones auch beim Portrait-Modus vorhanden.

So, und jetzt stürze ich mich wieder in das Dating-Getummel und bin schon sehr gespannt, welche hirnverbrannte Spezialität mir als nächstes über die Weg läuft. Gute Nacht.