Es sollte die erste Fernreise nach knapp zwei Jahren Pause werden. Endlich wieder über den großen Teich, richtig abfeiern und nach allen Regeln der Kunst ausgenommen werden. Wäre da nicht der Fakt, dass ein paar Tage nach Silvester, und somit knapp zwei Wochen vor Reiseantritt, erst mein und drei Tage später der Corona-Test meines Freundes positiv waren.

Die Enttäuschung war gigantisch, schließlich freuten wir uns schon ewig auf diesen Urlaub in der Sonne zusammen mit guten Freunden. Jeden morgen machten wie fleißig unsere Corona-Tests und hofften auf ein negatives Ergebnis. Als der Test am Tag vor dem Abflug immer noch positiv war, verschoben wir den Flug einfach zwei Tage nach hinten. Doch auch zwei Tage später war eine erneute Verschiebung um einen weiteren Tag notwendig. Somit war der Puffer aufgebraucht – die Kreuzfahrt sollte am Sonntag beginnen, nun sollte auch unser Flugzeug am Sonntag landen.

An besagtem Sonntag verließen wir die die Wohnung schon gegen fünf Uhr morgens. Wir wollten einfach gucken, wie der Corona-Test am Flughafen ausfällt. Am Vorabend waren beide Corona-Tests nach wie vor leicht positiv. Und dann passierte das, womit wir nicht gerechnet hatten: Beide Tests waren negativ! Wir konnten unser Glück kaum fassen und lagen uns vor Freude weinend in den Armen. Wir durften fliegen, mega. Also ab in die Lounge für ein kurzes Frühstuck samt Sekt und dann rein in den Flieger, schließlich hatten wir einen Acht-Stunden-Flug vor uns. Und schon bei Abflug war klar, dass es eine knappe Geschichte wird. Vom Zeitpunkt der Landung bis zum letzten Einstiegs-Zeitpunkt auf dem Schiff hatten wir lediglich 2,5 Stunden Zeit.

Von Flugzeugen und Schiffen

Dieser Flug nach Miami war mein erster Langstreckenflug in der Business-Class. Und was soll ich sagen, ich mag fliegen trotzdem nicht. Natürlich war es gemütlich und auch die kostenlose Champagner-Flatrate ist nicht zu verachten, trotzdem bevorzuge ich beamen und versuche große Entfernungen ohne längeren Zwischenstopp um jeden Preis zu vermeiden. Wenn man um fünf Uhr morgens aufsteht und sich dann acht Stunden in so einen Jet setzen muss, kommt man sowieso völlig übermüdet an. Beim Gedanken an die Stunden nach der Landung (14 Uhr Ortszeit) und den Ausblick auf die erste Party auf dem Schiff, die man keinesfalls verpassen darf, wurde mir ganz übel.

Mit nur 15 Minuten Verspätung landeten wir pünktlich auf dem Flughafen von Miami. Mein Freund stand schon nervös mit seinem Handgepäck im Gang bereit, weil er ganz genau wusste, wie wenig Zeit uns bleibt, um auf das Schiff zu kommen. Leider hat er nicht mit der Inkompetenz der Mitarbeiter des Flughafens gerechnet. Ganze 30 Minuten standen wir auf dem Vorfeld rum, ohne auch nur in die Nähe eines Gates zu kommen. Er wurde von Minute zu Minute wütender und fing bereits an auf das Personal einzureden. Als wir das Gate dann endlich erreichten, sprinteten wir zur Gepäck-Abholung und dann ins nächstbeste Taxi, um den Flughafen Richtung Kreuzfahrt-Terminal zu verlassen. Beim Eintreffen sahen wir erleichtert die niemals endende Schlange der eincheckenden Schwuppen. Am Ende hätten wir uns also auch noch zwei Stunden Zeit lassen können – statt wie geplant um 17 Uhr verließ das Schiff erst gegen 19 Uhr den heiligen Hafen von Miami.

Das mit dem “wir kontrollieren den Corona-Test bei Einlass” entpuppte sich übrigens als reine Theorie. Genau zwei Menschen standen am Eingang des Terminals und guckten lediglich, ob man irgend eine Art von DIN-A4-Zettel oder eine PDF-Datei auf dem Handy hat. Weder der Inhalt noch das Datum wurden sich angeguckt. Wichtig war lediglich das Wort “negative”. Jeder Vollidiot hätte sich so ein Pamphlet also selbst erstellen können.

Endlich auf dem Bumskahn

Bumskahn. Nein, mit Oliver Kahn hat das nichts zu tun, obwohl der auf Grund seiner Affären wohl ähnlich viel Sex hat. Und da ich kein Interesse an Fussball habe und sogar absolut nicht verstehen kann, wie Menschen überhaupt Sport jeglicher Art angucken können, ist er noch weniger relevant.

Wer schon mal eine Gay-Cruise gemacht hat oder die schwule Szene auch nur ein bisschen besser kennt, der kann sich vorstellen, was die Schwulen nach zwei Jahren Zwangspause primär getan haben: Richtig, alles noch deutlich heftiger als in den Jahren zuvor. Das Wort “krass” beschreibt es wohl am Besten. Während sich der Sex in den Vorjahren lediglich auf die FKK-Decks und Darkrooms beschränkte, bumsten die Schwulen nun ohne Sinn und Verstand in jeder Ecke, im Flur, auf der Tanzfläche und halt einfach überall. Vom Drogen-Konsum in aller Öffentlichkeit mal ganz zu schweigen. Auch der war in den Vorjahren weniger offensichtlich. Offiziell wird man des Schiffes verwiesen, wenn man beim Drogenkonsum erwischt wird. Ja, offiziell. Mit der Maskenpflicht, die eigentlich in allen öffentlichen Innenräumen galt, verhielt es sich ähnlich. Spätestens in den Abendstunden interessierte sich niemand mehr dafür.

Schon vor Beginn der Kreuzfahrt gab es sehr viel schlechte Presse über diesen “Superspreader”-Event. Wie können schwule Party-Veranstalter es nur wagen, zur Endzeit der Corona-Phase eine Gay-Cruise mit über 5.000 Leuten zu veranstalten? Sie machen es einfach! Und abgesehen von vielen grenzwertigen Erlebnissen war es wie üblich sehr sehr geil. Atlantis Events schafft es halt einfach, den Schwulen genau das zu geben, was sie wollen: Eine Woche voller Party, Sex und niemals Rock’n’Roll, dafür Drogen-Musik 24/7.

Die Warnungen der Presse waren nebenbei erwähnt nicht ganz unbegründet. Schon in einer der ersten Nächte ertönte eine Notfall-Durchsage das Schiff, welche auf den Herzkreislaufstillstand eines Gastes hinwies. Natürlich wird das nicht das nicht direkt gesagt, sondern durch Codewörter verschleiert. “Code Alpha” ist dabei suboptimal. Auch wurden einige Veranstaltungen an Bord spontan wegen Corona-Ausbrüchen abgesagt, z.B. das Cats-Musical. Mein persönliches Show-Highlight war übrigens die Show von Pam Ann. Die Alte ist wirklich der Burner.

Abgezockt an der Sperma-Ausgabe

Kommen wir zurück zu den wirklich wichtigen Themen: Bumsen. Also, wie dekoriert der moderne Schwule den Balkon seiner Kabine? Richtung, mit Regenbogen-Fahnen. Genau wie in den billigen Touristen Bunkern auf Gran Canaria während der CSD-Woche. Aber nicht nur das. Auf den Balkons der Suiten ist so viel Platz, dass direkt zwei Slings aufgebaut werden können, wow. Praktischerweise kann man von den Suiten im hinteren Bereich des Schiffs auch direkt auf die Tanzfläche gucken. Andersrum guckt die Tanzfläche allerdings auch zu, wenn man jemanden auf dem Balkon wegflankt. Es ist ein Geben und Nehmen.

Als ich mich am vorletzten Tag der Cruise mit ein paar Freunden in den Whirlpool setzte, erlebte ich mein blaues bzw. weißes Wunder. Was sind das für komische klebrige weiße Punkte an meinen Arm-Haaren? Man kann es sich vorstellen. Schreiend und völlig angewidert habe ich den Whirlpool verlassen und mir geschworen, auf einer schwulen Kreuzfahrt niemals wieder einen Whirlpool zu besteigen. Ein Whirlpool ist übrigens nicht das oder der Einzige, was ich auf Kreuzfahrten grundsätzlich nicht besteige(n sollte).

Ist man nicht völlig drogenabhängig und ballert sich lieber mit Alkohol weg, hat man auf dieser Art von Kreuzfahrten ein gewaltiges Problem. Es ist nämlich so dermaßen teuer, dass schon nach wenigen Tagen alle Grenzen der Kreditkarte gesprengt werden. Um die 13$ plus Trinkgeld (also insgesamt 15$) gehen für einen Longdrink mit minimalen 4cl Wodka gen Süden. Getränke-Pakete mit Alkohol werden erst gar nicht angeboten. Schon das Paket mit Red Bull und Cafe schlägt mit kostengünstigen 43$ pro Tag und Person zu buche.

So ist es nicht verwunderlich, dass wir nach Alternativen suchten. Und dieses Jahr hatten wir Glück. Offiziell ist nur eine Flasche Wein oder Sekt pro Kabine im Koffer erlaubt. Wir trieben es in 2022 aber auf die Spitze und schafften es, ganze 2x 1,5 Liter Vodka im Koffer und 2x 0,5 Liter Vodka im Handgepäck an Bord zu schmuggeln. Professionell umgefüllt in Wasserflaschen. Dafür ist eine Menge an krimineller Energie erforderlich. Es gab schon Kreuzfahrten, da wurden alle alkoholischen Getränke aus dem Koffer entfernt. Nunja, dieses Mal haben wir Geld gesparrt und zumindest die ersten vier Tage war für ausreichend Vodka gesorgt. So ein Liter geht ja schließlich locker am Tag drauf, wenn man zu zweit unterwegs ist. Prost.