Genau genommen war es nicht nur eine Nacht, sondern vier, aber das klingt im Titel doof, daher habe ich diesen Artikel mit „one night“ betitelt. Aber eins nach dem anderen.

Eigentlich sollte dieses Wochenende Anfang August völlig anders laufen. Mit Freunden hatte ich geplant, den CSD in Amsterdam zu besuchen. Ein paar coole Partys standen auf dem Plan. Überraschenderweise machte uns Corona erneut einen Strich durch die Rechnung – wenige Tage vorher wurde der CSD samt allen Parties abgesagt und wir saßen in Berlin. Beim Debattieren über Alternativen kam die Tschechien-Idee auf und sofort warten wir Feuer und Flamme. Kurzentschlossen buchten wir ein cooles Hotel in Prag und den passenden Zug. Laut Google sollte es in Prag eine coole Party zum CSD geben. Selbstverständlich im 3G-Prinzip.

Im Bumsexpress über die Grenze

So kam es also, dass wir uns an einem Donnerstag im August am Berliner Hauptbahnhof wiederfanden, um in einen ECC (EuroCity Express) Richtung Prag zu steigen. Wir hatten vier Plätze in einem Abteil reserviert. Neben uns nahm ein ca. 50 Jähriger bärtiger Mann im gleichen Abteil Platz, der der deutschen Sprache wenig mächtig war. Um die drei Stunden und drei Flaschen Sekt später wurde es besagtem älteren Mann zu bunt und er verließ das Abteil. Den Rest der Fahrt hatten wir das Abteil für uns. Der ganze Zug, welcher in der Tat zum Großteil aus Abteilen bestand, war zu einer Party-Location mutiert. Drei Abteile weiter feierten um die zehn junge Boys um die Wette. Man konnte eine Art Gardine vor die Tür hängen, damit vorbeigehende andere Fahrgäste und Bahnpersonal nicht sehen, was man so treibt. Es war laut, feucht und lustig.

Nach Überfahren der Grenze änderten sich die Preise im Bord-Bistro. Ihr dürft raten in welche Richtung. Den Sekt gab es nun fast gratis. Bezahlen mussten wir allerdings mit einer uns noch völlig unbekannten Währung, die wir Bimbo-Dollar getauft haben. Offiziell nennt sich diese Währung „tschechische Kronen“. 25 davon entsprechen in etwa einem Euro. So wirkt alles teuer, ist aber ein Schnäppchen. Auch mit der tschechischen Sprache sind wir nicht warm geworden, klingt das doch größtenteils sehr aggressiv, allerdings nicht so nervig wie spanisches Gelaber. Glücklicherweise kommt man in fast allen europäischen Großstädten (außer Paris) mit englisch durch das Leben.

Trotzdem waren wir froh, als wir nach vier Stunden Fahrzeit das Ziel erreichten: Die tschechische Hauptstadt Prag. Die Fahrt dauerte deswegen so lange, weil scheinbar niemand von Berlin nach Dresden will und es daher keine direkte ICE-Verbindung gibt. Ist man erstmal in im Zentrum der DDR (Dresden), geht die Fahrt nach Prag dann schnell.

Als wir vor dem Hauptbahnhof in Prag standen und die Straßenbahnen sahen, haben wir uns spontan entschieden, auf den öffentlichen Nahverkehr zu verzichten und lieber den Fußweg zum Hotel anzutreten. Die Bahnen waren dann doch mehr Metallschrott als Straßenbahn.

Boys & Friends

Ein paar Freunde von uns waren schon ein paar Tage länger in Prag und hatten das Nacht- und Barleben bereits erkundet. So wurde uns direkt am ersten Abend das Friends empfohlen, eine Mischung aus recht kleiner Bar und Club inmitten von Prag in einem Kellergewölbe.

Laut besagter Freunde befänden sich in dieser Bar „die geilen Boys und die ganzen Porno-Darsteller„. Es stellte sich heraus, dass das unseren beiden Besuchstagen nicht der Fall war. Dafür gab es übergewichtige alte Männer, die seit Tagen nicht geduscht hatten, unfreundliches arrogantes Personal und keine vernünftige Lüftung – so 35 bis 40 Grad indoor waren machbar. Von der Einhaltung von Sicherheitsstandards fange ich gar nicht an, aber womöglich gibt es in Prag auch einfach keine. Ist auch nicht so schlimm, wenn täglich Leute die Treppe herunterfallen. Ich muss wohl nicht groß erwähnen, dass Corona kein Thema war.

Das mit Abstand schlimmste am ersten Abend in der Friends Bar war allerdings die sogenannte „Dragqueen-Show„. Das, was dort auf die Bühne gelassen wurde, war eine Beleidigung für alle wirklichen Dragqueens. Und das sage ich, obwohl wir alle zum Auftrittszeitpunkt völlig betrunken waren. Wie schlimm wäre das wohl nüchtern gewesen? Kaum auszudenken. Unterirdisch war an diesem Abend also nicht nur Lage der Location.

Die Insel der Lesben

Ein Teil des CSD-Wochenendes in Prag findet auf einer Insel statt. Einer kleinen Insel mitten in der Stadt, die sich auf der Moldau befindet, auch wenn ich den Fluß immer als Rhein bezeichne, da für mich alle Flüsse, die durch große Städte fließen, prinzipiell der Rhein sind. Vor Corona gab es wohl immer noch ein größeres Festival-Gelände auf der anderen Fluss-Seite, das war 2021 aber nicht vorhanden.

Das Treiben auf der Insel war spannend. Eine kleine Bühne und ein paar Getränke-Buden sowie ein Stand, an dem man sich Schminken lassen konnte, um am Ende wie ein transsexueller Pfingstochse auszusehen. Die Menschen, die vor der Bühne tanzten, waren durchaus spannend. Zusammengefasst handelte es sich größtenteils um jugendliche Gothic-Lesben, die im Schlamm rumsprangen. Ja, natürlich hat es jeden Nachmittag für ein bis zwei Stunden geregnet. Für das musikalische Vergnügen sorgte ein technisches Gerät, mit dem sich die anwesenden Lesben per App Lieder wünschen konnten und über die dann abgestimmt wurde. Dieses Verfahren führte dazu, dass es eine Kombination aus tschechischem Schlager und Heavy Metal gab. Und ein lustiges Lied über Jeff Bezos.

Alles in allem war das ein bisschen wir ein Trip in die Vergangenheit der deutschen CSD-Veranstaltungen von vor 10 bis 20 Jahren. Die anwesenden Besucher wollten auf jeden Fall auffallen. „Normalos„, wenn man das heute noch so sagen darf, waren nicht anzutreffen. Es scheint so zu sein, dass die Szene in Prag noch nicht so weit ist wie es in Deutschland der Fall ist. In CSD ist hier also wirklich sinnvoll.

Oh my god, eine laute Party

Die größte zum CSD angekündigte Party in Prag nannte sich „OMG„. Und das war auch genau das, was wir dachten, als wir die Party-Location betraten, die sich um die 10 km außerhalb der Stadt befand. Es gab Licht, es gab Drinks, und es gab unfassbar laute Musik aus Funktion One Musikboxen. Was es nicht gab, war eine volle Location, aber das wäre nach so einer langen Party-Pause durch Corona auch ein Overkill gewesen. Die Musik war klasse und die Preise sensationell – für einen Preis von umgerechnet ca. 250 Euro bekamen wir den Eintritt für sechs Leute und drei Flaschen Absolut Vodka (0,7l) plus Softdrinks inklusive.

Die sexyness der Gäste lies zu wünschen übrig, aber das war an diesem Tag auch nicht von hoher Relevanz. Sex ist im Gegensatz zu Parties auch in den letzten 1,5 Jahren nicht verboten gewesen. So genoßen wir jede Minute und jeden Schluck des göttlichen Vodkas. Zusammenfassend muss ich aber trotzdem sagen, dass ich die Party nicht erneut besuchen muss. Einmal reicht in diesem Fall.

Lego & Spielzeug

Da unsere Freunde bereits am Sonntag zurück reisten (es gibt Menschen, die arbeiten müssen), befanden wir uns alleine in Prag und hatten Zeit, die Stadt zu erkunden bzw. völlig wahllos rumzurennen. Durch Zufall war mir ein Lego-Museum aufgefallen. Und da wir am Vortag in der Einkaufsstraße im mit Abstand geilsten Spielzeuggeschäft standen, was ich jemals gesehen hatte, stand für Sonntag das Lego-Museum auf dem Plan. Leider war es langweilig und klein, stellt aber angeblich die größte private Lego-Sammlung in Europa dar. Gut, aber ich glaube nach dem unfassbaren Spielzeuggeschäft hätte mich an diesem Wochenende auch nichts mehr begeistern können. Und ich muss das nochmal wiederholen: Sensationell, in etwa so wie das Geschäft aus „Kevin allein in New York„, nur in modern.

Am Montag Mittag verließen wir Tschechien zurück Richtung Dresden. Hätte der Taxifahrer nicht alle Ampeln und Verkehrsregeln ignoriert, nachdem wir ihm gesagt haben, dass wir etwas spät sind und unser Zug in acht Minuten fährt, hätten wir den Zug definitiv verpasst. Eine Minute vor Abfahrt und nach einem schönen Sprint standen wir am Gleis. Mit dem Ergebnis, dass die Anzeige just in diesem Moment auf „20 Minuten später“ umsprang. Einiges in Tschechien ist dann halt doch wie in Deutschland.