Ich schaffe es bis heute, täglich mindestens einen Gegenstand auszumisten und meinem Ziel so Baustein für Baustein näher zu kommen. Aber zugegeben, es wird von Tag zu Tag schwerer. Meine Schränke sind so gut wie leer und ich bin nur noch von Gegenständen umgeben, die ich regelmäßig nutze. Regelmäßig nutzen heißt aber nicht, dass ich sie auch brauche. Es gibt noch genug Dinge, die eigentlich verzichtbar wären, jedoch hebe ich mir das bis zum Ende der Testphase auf. Der Eierkocher, den ich ebenfalls regelmäßig verwende, wird es nicht mit auf die Reise schaffen.

Das Unnütze identifizieren

Doch wie findet man heraus, ob ein Gegenstand nützlich ist oder aussortiert werden kann? Die üblichen Tipps dafür sind hinlänglich bekannt: Man beschriftet einen Umzugskarton mit dem aktuellen Datum und tut dann die Sachen hinein, auf die man eventuell verzichten kann. Nach Ablauf von zwei Jahren trennt man sich dann von allem, was man zwischenzeitlich nicht verwendet hat.

Für meinen Fall ist der dieser Weg völliger Bullshit. Ich warte doch nicht zwei Jahre, und vor allem behalte ich keinen Gegenstand, wenn ich ihn in zwei Jahren drei mal verwende. Behalten tue ich Dinge, die ich täglich, oder zumindest einmal wöchentlich, benötige. Statt mit einem beschrifteten Umzugskarton löse ich die Frage des Trennens mit meinem Gehirn. Ich sehe mir jeden Gegenstand an und denke darüber nach, was er mir bringt, wann ich ihn zuletzt verwendet habe und wann ich ihn wieder verwenden würde. Zusätzlich (und das ist viel wichtiger) mache ich mir Gedanken darüber, ob ein Gegenstand mein Leben einfacher oder komplizierter macht. Nur wenn er es einfacher macht, wird er behalten. Ein paar Teile machen es weder einfacher noch komplizierter, sondern sind irgendwie neutral. Üblicherweise gehen auch diese Dinge dann über den Jordan.

Was ist denn überflüssig?

Am Ende definiert natürlich jeder für sich selbst, welche Dinge er braucht und welche nicht. Ich möchte aber ein paar Beispiele dafür geben, was ich in meiner Wohnung als unnütz betrachtet und abgegeben/entsorgt habe.

  • Blumen, Sträucher, Bäume: Es gibt keine einzige Blume oder Pflanze in meiner Wohnung mehr, denn der Aufwand für die Pflege steht in keinem Verhältnis zum Nutzen. Der einzige Nutzen ist nämlich, dass Pflanzen bei guter Pflege hübsch sind. Das gilt übrigens auch für Menschen. Pflanzen muss man gießen, Pflanzen muss man beschneiden, sie wollen Sonne und verlieren manchmal Blätter, die man aufsammeln muss. Und jede Menge Staub sammelt sich auch noch an. Gehen die Teile ein, kauft man Neue und das Spiel geht von vorne los. Okay, ich gebe zu einen schwarzen Daumen zu haben. Auf jeden Fall waren Gewächse das allererste, was ich komplett und ausnahmslos auf meiner Wohnung verbannt habe.
  • Dekoration: Schwule (und Frauen) neigen dazu, jeden Schrank und jedes Regal mit teilweise heftig hässlichem Dekorationsmaterial zuzubomben. Das kann sogar so weit gehen, dass man die Dekoration je nach Jahreszeit oder Fest austauscht. Es tut mir leid, aber das ist einfach nur unsinnig. Viele Deko-Gegenstände hatte ich sowieso nicht, aber auch die Restlichen sind inzwischen einer ordentlichen und cleanen Schrank-Oberfläche gewichen. Ein Regal ist viel einfacher zu entstauben, wenn es leer ist. Noch besser: Das Regal gleich abbauen, wenn es eh schon leer ist, denn offensichtlich ist es nun überflüssig. Die folgende Frage ist wohl eher rhetorischer Natur: Wie vielen Kerzen braucht man, um glücklich zu sein? Eine Kerze für die bzw. in der Poperze.
  • Küchenutensilien: Was haben Brotmesser, Fleischmesser und Gemüsemesser gemeinsam? Richtig, alle sind Messer. Daher brauche ich auch nicht für jede Art von Lebensmittel ein Messer und beschränke mich einfach auf ein Messer, was groß genug und scharf ist. Ihr werdet nicht glauben, wie viele Menschen in diesem Land für Kuchen eine Extra-Art von Gabel benutzen, nämlich die Kuchengabel. Das macht einzig und allein für die Besteck-Hersteller Sinn.
  • Lebensmittel, Getränke und Vorratshaltung: Es mag vielleicht noch nicht jeder mitbekommen haben, aber wir sind nicht im Krieg. Auch während der Anfangszeit der Covid19-Seuche nicht. Es besteht folglich keine Veranlassung dafür, 30 Konservendosen oder 24 Rollen Klopapier zu horten. Wenn etwas leer ist, kauft man es neu. Und zwar wirklich erst dann und nicht 12 Wochen vorher. Frische Lebensmittel sind davon abgesehen auch gesünder.
    Auch wenn ich kein Umweltschützer bin, finde ich es mehr als dämlich, Mineralwasser im Supermarkt zu kaufen. Zumindest in Deutschland kann man das Wasser aus der Leitung sehr gut genießen. Und wenn man es lieber sprudelnd mag, jagt man das Wasser durch so eine Sodastream-Apparatur. Die einzigen Getränke, die ich im Laden kaufe sind die, mit denen ich meine Longdrinks zubereite. Also Cola Zero, Red Bull und Tonic Water. Prost.
  • Geschenke: Da gab es ein bisschen Widerstand im Freundeskreis, aber letztendlich wurde es akzeptiert. Schon letztes Jahr habe ich angefangen, an Geburtstagen nichts mehr zu verschenken und deutlich auszudrücken, dass ich selbst keine Geschenke mehr möchte. Denn wenn es sich nicht gerade um Vodka handelt, ist es meist Schrott, denn man schnellstmöglich wieder loswerden will. Auch wenn es nur Gutscheine sind, die nie einer einlöst, kann man sich viel Aufwand sparen. Ich rede hier nicht nur von dem Geld, was man für das Geschenk ausgibt, sondern auch von der Zeit darüber nachzudenken, was man denn schenkt und natürlich der Zeit, das Zeug zu organisieren.
  • Bücher, DVDs und CDs: Wälzer und Datenträger sammeln sich schnell an. Kaum versieht man sich, hat man hunderte Bücher in einem Regal stehen, was man dann stolz als Bücherregal bezeichnet. Hätte ich sowas, wäre ich wohl froh, wenn es einfach abbrennt. Liebe Leute, die auch heute noch Bücher und DVDs besitzen: Vor ein paar Jahren haben ein paar sehr schlaue Menschen E-Books sowie Musik- und Videostreaming erfunden. Und wenn ihr jetzt mit „das ist doch nicht das Gleiche“ kommt, dann muss ich mich leider wiederholen: Bullshit. Natürlich ist es nicht das gleiche, denn es ist auch noch super für die Umwelt, wenn man einfach auf gedruckte Bücher verzichtet und sich an den E-Book-Reader gewöhnt. Wenn ihr nicht gerade das absolute Gehör habt, werdet ihr auch keinen großen Qualitätsunterschied zwischen der Schallplatte und Spotify vernehmen.
  • Doppeltes: Sachen, die man (aus welchen Gründen auch immer) mehrfach hat. Es könnte ja mal ein Gegenstand kaputt gehen oder verschwinden, daher hat man ihn doppelt. Hmm, und man kann ihn dann nicht einfach neukaufen? So ein Gegenstand war bei mir der Regenschirm – ich hatte zwei davon. Nun habe ich nur noch Einen. Die Ziel-Anzahl der Regenschirme, die ich benötigen möchte, ist allerdings Null. Ohne Regen wäre ein Schirm unnötig. Aber ein Deutschland ohne Regen? Aktuell kaum denkbar. Als Ausnahme für doppelte Dinge erlaubt und sogar explizit erwünscht ist hingehen: Doppelkorn.

Minimalismus-Gedöns

Auch wenn es manchmal so wirkt, als würde ich es mit dem Minimalismus ziemlich übertreiben, so kann ich sagen: Das ist definitiv nicht der Fall. Und weil das nicht überzeugend genug klingt, möchte ich an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich klarstellen: Ich betreibe Minimalismus nicht aus Prinzip, Religion oder Sparsamkeit, sondern weil es mein Leben ungemein erleichtert. Es ist auch nicht mein Ziel, zum Beispiel maximal 100 Gegenstände zu besitzen. Ich besitze genau so viele Gegenstände, wie ich brauche, egal ob das zehn oder 10.000 sind.

Wenn man beim Nachdenken über einen Gegenstand recht sicher ist, dass man ihn noch braucht, dann sollte man auch darüber nachdenken, was die Alternative zu diesem Gegenstand ist oder ob er sich durch einen einfacheren Gegenstand ersetzen lässt. Beispiel gefällig?
In jedem Raum meiner Wohnung hatte ich eine Bose-Box als Multiroom-System eingerichtet. Es ist überraschend, aber ich kann nur in einem Raum gleichzeitig sein. Beim Ausmisten des Kellers hatte ich dann meine alte tragbare Bluetooth Bose-Boxe mit Akku in der Hand und die Idee, diese doch einfach immer in den Raum mitzunehmen, in dem ich gerade Musik hören will. Schlafzimmer, Badezimmer (da ist das sehr wichtig, weil ich dort morgens täglich rumtanze und singe) und natürlich Büro. Vier andere Boxen konnte ich verkaufen und dadurch fast 1.000 Euro erzielen.

Abschließend noch ein Profitipp für alle, die noch nicht sämtliche Bücher über das Minimalismus-Thema gelesen haben: Immer, wenn man eine neue Sache kauft, sollte man eine andere Sache weggeben. So vermeidet man, dass man unendlich viel Zeug ansammelt. Das gilt wohl hauptsächlich für Kleidung.