Das Beitragsbild ist eine kleine Provokation. Genau genommen hat der Verlauf des Abenteuers nämlich nichts mit Glück oder Pech zu tun. Je mehr man richtig macht, desto besser läuft es. Und macht man mal einen Fehler, wiederholt man ihn einfach nicht. So einfach ist das.

Schon in der Planungsphase, in der auch ich mich momentan noch befinde, stellt man die Weichen so, dass kleine Unebenheiten ausgeglichen werden. Hoffentlich gehören die Weichen nicht der Deutsche Bahn und es ist unter 0 Grad. Herzlichen Glückwunsch, es gibt eine Freifahrt zu Gewinnen.

Du wirfst ja alles weg…

„Wieso wirfst du alles weg, was du dir aufgebaut hast?“. Ich glaube diesen Satz müssen sich viele Leute anhören, die eine Entscheidung treffen, die nicht nur ihr Eigenes, sondern auch die Leben der Leute in ihrer Umgebung verändert. Ob es das Kündigen des Jobs ist, die Einreichung der Scheidung oder das Auflösen/Verkaufen der Wohnung. Eben alle Entscheidungen, die der Otto-Normal-Bürger als durchgeknallt bezeichnet. Wenn man etwas älter ist, nennt man das auch gerne Midlife-Crisis. Ich nenne das nicht so, stattdessen fallen mir andere Wörter ein: Endgeil, mutig, mega, sensationell, Respekt. Man lebt nur einmal. Ich baue gerne mal diese Art von allgemeinbekannten Floskeln in meine Texte sein.

Trotzdem macht es Sinn, sich mit der Frage zu konfrontieren, was man real zu verlieren oder zu gewinnen hat und dann das auch ganz realistisch ins Verhältnis zueinander zu setzen. Denn natürlich hat man keinen festen Wohnsitz und keine eigene Couch mehr, wenn man sich auf den Weg macht. Die zentrale Frage ist nur, ob die Tatsache des Nichtvorhandenseins einer Couch wichtiger ist als das Erkunden neuer Länder.

Übrigens: Wenn jemand mit dem „wieso wirfst du alles weg…“-Satz kommt, ist er dabei meist eher von Sorgen um euch, als vom Schlechtreden des Plans und Kritik geprägt. Er hat schlichtweg Angst, euch zu verlieren. Das ist eigentlich ein schönes Kompliment.

Nun aber zu den Punkten, die mir zu diesem Thema in den Kopf gekommen sind. Natürlich gibt’s noch viele mehr, aber mein Ziel ist es nicht ein Buch zu schreiben. Wobei man ja oft den Tipp hört, dass man als digitaler Nomade ein E-Book veröffentlichen sollte. Passives Einkommen und so.

Verlieren

Gegenstände: So ziemlich alle Gegenstände meiner Wohnung gehen weg, das ist richtig. Ich verliere Kleiderschrank und Sofa, meinen Fernseher und das geile Bose-Soundsystem (ich liebe es!), die coolen Nanoleaf-Lichter und sogar den Korkenzieher.

Geld: Aus dem Verlust der Gegenstände ergibt sich automatisch der Verlust von Geld, da ich beim Verkauf nicht mal ansatzweise den Preis erziele, den ich gezahlt habe. Als grobes Ziel habe ich mir einen Verkaufserlös von in Summe ca. 10.000 Euro vorgestellt. Die Kaufpreise betrugen mindestens das Doppelte. Aber das ist halt der Preis der Freiheit, den ich auch gerne zahle. Es ist ja nur Geld. Dazu wieder ein passende Floskel: Zeit ist eine der wenigen Sachen, die man nicht von Geld kaufen kann.

Fixkosten: Ich verliere einen Großteil meiner monatlichen Fixkosten. Das ist wohl mehr gut als schlecht. Beim Surfen durch die airbnb-Angebote durch ein paar Beispiel-Städte in Europa ist mir aufgefallen, dass ich fast überall in Europa günstiger wohnen kann als in meiner aktuellen Wohnung in Hannover. Zur Veranschaulichung ein Übersicht über die monatlichen Kosten, die mir mit Wohnsitz in Hannover entstehen:

PostenMonatliche Kosten
Warmmiete1.020 €
Strom66 €
GEZ-Gebühren17,50 €
Internet/Festnetz-Telefon60 €
Summe1.163 €

Es summiert sich auf fast 1.200 Euro monatlich. Eine ganz schöner Batzen. Für Strom und Nebenkosten habe ich sogar immer noch ein paar hundert Euro nachgezahlt, die man zusätzlich auf die Monate umrechnen könnte.

Zum Vergleich ein paar Zahlen aus europäischen Städten von airbnb. Ich habe als Beispiel mit einem einmonatigen Aufenthalt (1. bis 31. Juli 2021) und der Art „Gesamte Unterkunft“ kalkuliert. Interessant zu wissen: Bei airbnb-Buchungen über einen Monat bekommt man zwischen 10% und 60% Rabatt auf die Preise, das lohnt sich also richtig. Bei einer Woche wird es deutlich teurer.

  • Madrid, Spanien: 700 bis 1.000 Euro monatlich
  • Berlin, Deutschland: 800 bis 1.250 Euro monatlich
  • St. Petersburg, Russland: 400 bis 900 Euro monatlich
  • Maspalomas, Gran Canaria, Spanien: 700 bis 1.100 Euro monatlich
  • Stockholm, Schweden: 1.500 bis 2.000 Euro monatlich
  • Talinn, Estland: 600 bis 1.200 Euro monatlich
  • Lissabon, Portugal: 600 bis 1.000 Euro monatlich
  • London, England: 1.200 bis 2.000 Euro monatlich
  • Paris, Frankreich: 800 bis 1.300 Euro monatlich

Stockholm und London stechen nach oben raus, ansonsten kann ich mit meinem monatlichen Budget überall für den gleichen Preis oder sogar günstiger leben.

Hinzu kommt sogar noch, dass ich um die 3.000 Euro Kaution bei Einzug in die Wohnung gezahlt habe, die ich zurückbekomme. Ein schönes Zusatz-Taschengeld, was ich gut gebrauchen kann. Yeah, Champagner!

Freunde: Natürlich habe ich Angst davor, Freunde zu verlieren oder zumindest davor, dass der Kontakt weniger wird. Klar kann man telefonieren und so, aber ist das ein Ersatz? Wohl nicht. Viele digitale Nomaden berichten in ihren Videos auch genau über dieses Problem. Die Einsamkeit, seine langjährigen Freunde und seine Familie nicht in der Nähe zu haben. Mal sehen, wie ich damit umgehen werde.

Zeit: Verschwende ich Lebenszeit, wenn ich dieses Experiment mache und es am Ende so scheitert, dass ich nach ein paar Monaten zurückkomme? In der Zeit hätte ich ja auch andere Sachen machen können. Ganz ehrlich, aber welche bitte? Zeit habe ich definitiv nicht zu verlieren. Ich habe wohl eher bereits viel zu viel Zeit dabei verloren, nicht schon viel früher auf Reisen gegangen zu sein.

Beziehung: Dafür hatte ich mich bereits entschieden, auch ganz unabhängig von der Entscheidung Hannover zu verlassen. Trotzdem ist so eine Tour nicht einfacher, wenn man eine Beziehung oder sogar eine Ehe, eventuell inklusive Nachkömmling(e), hat. Ich für meinen Fall habe nun zwar keine Beziehung mehr zu verlieren, allerdings kann ich auch nicht einfach eine Neue eingehen, was aber auch nicht der Plan ist. Männer sind eh alle gleich, also scheiße und so.

Gewinnen

Neue Menschen: Es gibt so viele Menschen auf der Welt und ich kann nicht alle kennenlernen. Möchte ich auch gar nicht, da ich den Großteil eh nicht mögen würde. Aber was ich bekommen kann ist ein Einblick in viele Kulturen. Das Thema ist so umfangreich, dass ich mir nicht mal ansatzweise ausmalen kann, was mich erwartet.

Bucketliste: An sich gewinne ich nicht die Bucketlist, sondern das Abhaken von Dingen auf jener. Mal nach Australien reisen, check. Sich in einer Wüste in den Sand schmeißen, check. In Dubai das größte Gebäude der Welt besteigen, check. In San Francisco ein Foto der Golden Gay Bridge machen, check.

Erlebnisse: Eine Fortsetzung des vorherigen Punktes. Heute nicht wissen, was man morgen erlebt. Was man in Deutschland mit der Deutsche Bahn erlebt, darf man im Ausland mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei Airlines genießen.

Wir ihr sicher gemerkt habt, ist der Verlieren-Absatz länger als der Gewinnen-Absatz. Das liegt daran, dass ich mir sehr viel mehr Gedanken darüber mache, was die Gefahren und Risiken der Reise sein könnten. Alles andere lasse ich auf mich zukommen. Es ist wohl ein Teil des Reizes, den Reiseplan nicht perfekt zu detaillieren.

Der Jakobsweg

Nach Verkündung meiner Nomadenpläne hat mein bester Freund vorschlagen, ich solle doch stattdessen auf dem Jakobsweg pilgern. Völlig abwegig fand ich die Idee nicht, wenn auch nicht stattdessen sondern zusätzlich. Man muss allerdings dazu sagen, dass ich in etwa so religiös bin wie Absinth ein alkoholfreies Getränk ist. Der Gedanke an tausende junge Typen, die tagsüber unterwegs sind und abends gemeinsam Wein trinken reizt mich jedoch sehr. Ich könnte die Strecke ja auch mit einem E-Roller absolvieren.

Es stellte sich raus, dann ein anderer Freund, dem ich davon erzählte, diese Erfahrung in seiner Jugend bereits gemacht und in hohen Tönen davon geschwärmt hat. Es bleibt nur fraglich, ob ich ich mit der für einen Schwulen nicht ganz idealen Hygienezustände klarkomme, wenn man tagsüber stundenlang ohne Dusche herumspaziert. Wie auch immer, der Jakobsweg hat es auf meine Bucketlist geschafft.