Nach der irren Sache mit der eigenen Diskothek möchte ich gerne über ein weiteres interessantes Projekt in meinem Leben berichten. Wobei interessant relativ ist, denn eigentlich sollte dieses Projekt das genaue Gegenteil von interessant werden, nämlich ein Ruhepol in der Natur.

Wie alles begann…

Aufgewachsen bin ich auf dem Land. Geboren in Gifhorn, einer Kleinstadt nahe Wolfsburg, groß geworden in einem kleinen Dorf namens Wesendorf ca. 15km von Gifhorn entfernt. Als ich ein Kind war kam mir die Entfernung nach Gifhorn unglaublich groß vor, die 30-minütige Autofahrt dorthin nahm gefühlt kein Ende. Meine Eltern wurden mit der Frage „wann sind wir endlich da?“ genervt. Aus heutiger Sicht wohl eher ein Witz; keine Entfernung kann mir groß genug sein.

Mit 18 Jahren zog ich nach ein paar Experimenten im Raum Stadthagen dann in die Landeshauptstadt Hannover. Ein Gefühl von Großstadt breitete sich in mir aus. Endlich mal Schwule in der Gegend, mega. Es gab große Partys, es gab Bars, es gab Discotheken. Erst in Hannover habe ich mit dem Trinken und Feiern angefangen, vorher zählte ich eher zur Kategorie der Kellerkinder.

Schon nach sechs Monaten in Hannover habe ich meine Ausbildung nach 1,5 Jahren Ausbildungszeit gekündigt. Ich fand es cool, angeblich hatte im Betrieb noch nie ein Azubi gekündigt. Aber meine Motivation, um kurz vor sechs Uhr aufzustehen, um ab 7:00 Uhr zu arbeiten hielt sich wirklich in Grenzen. Wieso sollte man sowas auch tun? Das ist unmenschlich! Ich beschloß also, von meiner Selbstständigkeit zu leben. Meine Ausbildung zum IT-Systemelektroniker hatte mir eh nicht sonderlich viel Spaß bereitet. Das Zusammenbauen von PCs und das Verlegen von Stromleitungen war nicht mein größtes Talent.

Wie man merkt, ist mein größtes Talent auch nicht das Abschließen von Tätigkeiten im Allgemeinen. Auch die Schule habe ich mitten in der zwölften Klasse ohne Abitur (und mit lediglich einem erweiterten Realschulabschluss) abgebrochen. Wohl einer der größten Fehler meines Lebens. Meine Wunschausbildung zum Mediengestalter habe ich nicht bekommen, daher der Versuch mit dem IT-Systemkram. Eine fürchterliche Idee. Whatever, zusammengefasst wäre ich ohne diese ganzen Aktionen wohl nie da, wo ich heute bin: Nämlich da, wo ich mir aussuche, wo ich bin. Theoretisch zumindest.

Auf dem Land 2.0

Ein paar Jahre und viele Aktionen später, war ich 25 und befand mich kurz nach dem Ende meiner ersten längeren Beziehung. Mein nachfolgender Freund, den ich wenige Monate später kennenlernte, ist wie ich auf dem Land aufgewachsen und wohnte noch immer da. Übrigens bis heute. Wir führten eine Beziehung über ca. 70 km Entfernung und fassten nach drei Jahren den Beschluss, zusammen in sein Haus aufs Land zu ziehen. Das Landleben 2.0 begann.

Er hatte gerade ein Haus mitten im Nichts gebaut. Und wenn ich das so schreibe, meine ich das auch. Das einzig vorhandene war die Autobahn 7 in 200 Meter Entfernung. Den Ort der Ruhe kombinierte eine vierspurige Autobahn, einen Schießstand als Nachbarn und ein Truppenübungsplatz auf der anderen Seite der Autobahn. Ein schönes Gefühl, wenn man am Samstag Vormittag von Schüssen oder der Angst des Einschlags einer Panzergranate geweckt wird.

Es war das erste Mal, dass ich bei einem Umzug einen Großteil meiner Sachen und Möbel verkaufte, verschenkte oder entsorgte. Wir hatten schließlich alles doppelt. Und bei ihm galt das „das war mal teuer, das kann nicht weg„-Motto. Ihr wisst, was ich davon halte. Auf jeden Fall freute sich meine Schwester sehr über eine neue Waschmaschine und einen neuen Esstisch samt Stühlen.

Da war er wieder: Der Alltag

Wieder wurde ich davon überrascht, aber er war schneller da als befürchtet: Der Alltags-Trott. Es dauerte nur ein paar Monate und meine Unzufriedenheit wuchs und wuchs. Ich arbeitete in Hannover, meine Freunde waren in Hannover, täglich legte ich 150 km und somit zwischen 1,5 und 3 Stunden im Auto zurück. Ich konnte nicht mal auf ein Bier bei meinen Freunden vorbeischauen, da sich alkoholisiertes Autofahren am äußersten Rande der Legalität bewegt.

Zur Endzeit der Beziehung nahm die Fahrzeit sogar noch zu, da der Ausbau der A7 zwischen Hannover und Hamburg begann. Ich muss euch ja nicht erklären, wie lange es in Deutschland dauert, eine kleine Fahrspur an eine Straße dranzupflastern. Wenn euch das interessiert, googelt mal nach Planfeststellungsbeschluss. Ich liebe deutsche Land.

Nunja, meine Unzufriedenheit mit der neuen Wohnsituation äußerte sich unter anderem darin, dass ich wirklich heavy fett wurde. Zur damaligen erreichte ich mein persönliches Höchstgewicht von fast 110 Kilo. Respekt! Aber auch kein Wunder, wenn man täglich den Burger King in Bad Fallingbostel besucht und sich dann tonnenweise Fastfood reinzieht und dieses auch noch im Bett frisst. Ein wirkliches Glück, dass das Wasserbett nicht eingekracht ist.

Auch mit der Einrichtung wurden wir uns nicht wirklich einig. Während mein Freund eher ein Fan von Landhausstil und Holz war, mochte ich es damals wie heute eher schlicht und weiß. Ich weiß gar nicht mehr, wie lange wir darüber diskutierten, ob ich eine Holzsäule weiß lackieren darf oder nicht. Es war sein Haus, die Säule blieb in Holzfarben.

Dann kam die Insel

Und wie es immer ist, wenn ich unglücklich bin oder ich nichts mit mir (oder anderen) anzufangen weiß, suche ich mir ein Projekt. Nachdem ich anfangs ein bisschen in der Wohnung rumwerkelte, indem ich völlig unsinnige Holzplatten an die Wand schraubte und übertriebene Unterhaltungselektronik anschaffte, fand ich anschließend meine Bestimmung auf dem Lande: Die Insel.

Dazu muss man Wissen, dass mein Freund ein großes Grundstück mit mehreren Teichen darauf besaß. Auf einem dieser Teiche gab es eine winzig kleine (ca. 40qm große) Insel mit einer Brücke. Meine Vision sah vor, auf dieser Insel die ultimative Oase der Entspannung zu errichten. Mit Strand, Bar, Musik, Licht und Co.

Gedacht, getan: Nach ein paar Stunden der Planung befand ich mich bereits auf dem Weg zum Baumarkt und lud Rasenkantensteine und Betonsäcke in mein Auto. Wenn man noch nie ein Betonfundament gebaut ist und auch zu faul ist, sich damit zu beschäftigen, kann das ziemlich schwer werden. Das Verlegen von Kabeln konnte ich auf Grund meiner (abgebrochenen) Ausbildung hingegen noch gut. Einige Zeit später hatten wir eine halb fertige Insel. Halb fertig deswegen, weil die Trennung schneller kam als die Insel-Einweihung.

Der Vollständigkeit halber fasse ich noch zusammen, wie diese Beziehung endete: Ich ging fremd, es kam raus und wir trennten uns nach ein paar Wochen hin und her und der Erfahrung einer Sexualtherapie. Ich zog wieder nach Hannover und hatte das Glück, eine wirklich geile Wohnung zu ergattern.

Es ist die Wohnung, in der ich bis heute wohne und die ich in wenigen Wochen Richtung Welt verlassen werde. Es verbleiben 29 Tage bis zum Start der Testphase.