Ich hatte mir vorgenommen, über ein paar verrückte Projekte in meinem Leben zu schreiben. Den Anfang macht das Projekt mit dem schönen Namen famous club – for Gays, Lesbians & Friends welches sich 2008/2009 zugetragen hat, also inzwischen mehr als zehn Jahre her ist. Das war sehr zu Beginn meiner Selbstständigkeit, aber nicht der Beginn der verrückten Projekte. Die Folgen des Projektes habe ich bis zehn Jahre später in Form von Kreditraten getragen. Daher auch der passende Titel der Geldverbrennungsmaschine. In meinem Leben war das bisher die größte Maschine dieser Art. Und ich habe wirklich viel Geld für schwachsinniges Zeug verschwendet. Selbstredend, denn es darf ja nie langweilig werden.
Mit einem damaligen guten Freund hatte ich bereits eine Event-Agentur – wir veranstalteten so um die 4-8 Partys pro Jahr in verschiedenen Locations in Hannover. Durch einen Zufall sahen wir bei ImmobilienScout24 die Anzeige eines Gastro-Objektes direkt in der Stadt. Ein ehemaliger kleiner Club mit ca. 100qm, der seit ein paar Monaten leer steht. Spontan haben wir uns den Laden angesehen und waren vom ersten Moment verliebt. Die Vorstellungen waren sofort klar – das wird unser Club. Nur wenige Tage später war der Mietvertrag unterschrieben und es ging los. Wie sich später herausstellte, war unsere erste Kalkulation leicht daneben und es war deutlich mehr Geld notwendig, als vermutet.
Das Ziel war, den kompletten Umbau innerhalb von sechs bis acht Wochen durchzuführen und dann direkt zu öffnen. Diese Wochen waren heftig und gehören bis heute zur den stressigsten Abschnitten in meinem Leben. Der Umbau war recht radikal. Nach Abschluss hatte der Laden nichts mehr mit dem Ursprungszustand zu tun. Farben, Tapeten, Technik, Theke. Man muss aber sagen, dass das Ergebnis ziemlich beeindruckend war. Was man von anderen Entscheidungen leider nicht sagen kann. Richtig geil: Der famous club hatte sogar ein Pissoir für Frauen, auch wenn ich mir die Nutzung nicht vorstellen wollte. Das ist mir bis heute ein Rätsel.
Die Woche vor der Eröffnung hat mich dann völlig hingerafft. Nur einmal danach hatte ich eine Grippe, die noch krasser war. Natürlich habe ich mich trotzdem täglich für zwölf Stunden in den Laden geschleppt, um zumindest den Versuch anzustellen, alles zu perfektionieren. Ein weiterer Faktor neben dem Umbau waren Marketing und Genehmigungen. Ein Marketing-Konzept für einen Danceclub entsteht nicht in ein paar Stunden. Und trotz meiner Vorerfahrungen in diesem Bereich brachte mich das an alle Grenzen. Schon in dieser Phase investierte ich nicht mehr genug Zeit in meine eigentlich gut laufende Softwarefirma, was sich bald an den Umsätzen bemerkbar machte. Das hat man mir auch angesehen: War ich doch viel zu fett, weil die Ernährung nur noch aus Fastfood bestand und zudem mit gelb gefärbten Haaren ausgestattet . Was war das bitte für eine schreckliche Idee? Die Fotos erspare ich uns.
Zwei Tage vor der geplanten Eröffnung kam der der Supergau: Die Abnahme der Feuerwehr zum Thema Brandschutz wurde uns verweigert. Es sollte spontan ein zweiter Notausgang im oberen Stockwerk her. Damit war die Eröffnung geplatzt und musste um eine Woche verschoben werden. Eine große Peinlichkeit, hatten wir doch die halbe Szene Hannovers zur Eröffnung geladen. Wir haben uns mit der Feuerwehr in den folgenden Tagen auf eine andere Lösung geeinigt und eine zweite Tür unterhalb der Treppe im Erdgeschoss eingebaut. Nicht so einfach in einem Gebäude, welches unter Denkmalschutz steht. Glücklicherweise hatten wir die volle Unterstützung des Vermieters und konnten eine Woche später eröffnen.
Doch das war nur der Anfang einer ganzen Reihe von Pannen und Fehlern, die dazu führten, dass der famous club nur 1,5 Jahre Bestand hatte und ich anschließend mit einem Riesenberg an Schulden endete. Hach, das waren Zeiten. Die Schuld an dem ganzen Schlamassel habe ich natürlich anderen Leuten gegeben. Ein paar Jahre und viele Reflektionen später kann ich die Fehler aber ganz gut zusammenfassen:
- Unterschätzung des Budgets: Zu optimistische Finanzplanungen sind zu Beginn einer Umbauphase tödlich. Wenn dort schon ca. 10.000 Euro fehlen, nimmt das kein gutes Ende. Auch wenn wir das noch geregelt bekommen haben, primär durch viel Eigenleistung ohne jegliches handwerkschaftliches Talent.
- Massive Unterschätzung des Zeitbedarfs während des Betriebs: „Da steht man am Wochenende einfach ein bisschen und feiert. In der Woche kann man ja seinem normalen Job nachgehen“. Nein, das ist völlig falsch. Buchhaltung, Personal, Verwaltung und Marketing fressen mindestens 50% der normalen Arbeitszeit innerhalb Woche auch, auch wenn der Club klein ist. Die Aufwände sind da und unterscheiden sich nicht sehr von denen einer größeren Location.
- Verharren auf Musikstil: Von Beginn an war das musikalische Motto die elektronische Musik. Das war zu früh für Hannover. Die Leute wollten House- und Electro-Sounds einfach noch nicht hören. Wir haben viel zu spät auf einzelne Events mit Pop- oder Black-Music umgeschaltet. Es gab zum Ende hin sogar eine Schlagerparty. Um Gottes Willen.
- Mitbewerber unterschätzt: Zu dieser Zeit gab es in Hannover nur einen anderen schwul-lesbischen Club, der nicht den besten Ruf hatte. Mit unserer Eröffnung hat dieser direkt an der Preisschraube gedreht: Longdrinks für drei Euro, Freigetränke und kostenloser Eintritt. Mit unseren damaligen Wucherpreisen von 5 Euro für einen Longdrink (Absolut Vodka Red Bull mit 4cl) und fünf Euro Eintritt haben wir die Zahlungsbereitschaft der Kunden falsch eingeschätzt. Viele gingen in den günstigeren Club, der zudem nur 300 Meter entfernt lag.
- Schaumparty & technische Probleme: Okay, eigentlich ist das klar: Eine Schaumparty verträgt sich nicht mit Technik. Doch die Schaumparty war nicht der einzige Technik-Ausfall. Wir haben einen halben Silvester-Abend ohne Hochtöner verbracht, da diese zur perfekten Zeit um 23:30 Uhr das zeitliche gesegnet hatten. Neben dem Ruf waren dann auch 50% der Gäste und jede Menge Umsatz weg.
- Die Notbremse ignoriert: Viel zu lange haben wir am Betrieb festgehalten und mit Gewalt und immer neuen Ideen und Versuchen dafür gesorgt, die Lebenszeit des Ladens künstlich zu verlängern. Richtig wäre es gewesen, schon nach den ersten Anzeichen die Reißleine zu ziehen und das Projekt für gescheitert zu erklären. Irgendwann ging dann endgültig das Geld aus. Die Miete konnte nicht mehr gezahlt werden und es war nur eine Frage der Zeit, bis die endgültige Schließung kam.
- Aus Stolz auf Insolvenz verzichtet: Der Letzte in der langen Reihe der Fehler. Weil ich es nicht mit mir vereinbaren konnte, einen Insolvenzantrag für die GmbH zu erstellen, habe ich einen Privatkredit aufgenommen und damit alle Rückstände beglichen. An diesem Kredit habe ich zehn Jahre abbezahlt, die GmbH habe ich auf normalem Wege ohne Insolvenzverfahren liquidiert. Das Insolvenzverfahren hätte mir sehr viel Geld und Nerven gesparrt. Mein damaliger Steuerberater hatte mir zudem nicht gesagt, dass man das verlorene Stammkapital der GmbH komplett von der Steuer absetzen kann. Als ich das erfuhr, war die First dafür lange abgelaufen.
Das wars, Schluss mit dem famous und adios Selbstbewusstsein. Ich hatte kein Geld mehr, war am Rande des Wahnsinns und trotzdem überarbeitet. Meine 120qm Wohnung mit Whirlpool und Balkon wurde durch eine Absteige im allerletzten Viertel Hannovers ersetzt, die man nachts besser nicht verlassen hat. Der 5er BMW wurde durch ein Fahrrad ersetzt. Es hat eine ganze Zeit gedauert, bis ich mich aus diesem Tief befreien konnte.
Und noch eine Sache habe ich gelernt. Vielleicht ist das sogar das wichtigste Learning in diesem Projekt: So lange man erfolgreich ist, hat man immer genug Freunde und Unterstützer an der Seite. Diese waren weg, sobald ich aufgehört habe alle Getränke zu verschenken und zumindest einen kleinen Kostendeckungsbeitrag aufzurufen. Die Leute, die in dieser schweren Zeit geblieben sind, zähle ich bis heute zu meinen Freunden. Und das bedeutet mir wirklich sehr viel.



Leave a Comment