Machen wir mal einen imaginären Spaziergang durch ein recht neues Vorstadt-Gebiet in einer beliebigen Großstadt in Deutschland. Beim Wandern durch die Straßen zeigt sich uns fast immer das gleiche Bild: Abwechselnd Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften mit Grundstückgrößen in dem Ausmaß, dass man seinem Nachbarn dabei zugucken kann, wie er in der Küche die Tomaten schneidet. Vor dem Haus ein kleiner Vorgarten mit je nach Einkommen Platz für ein oder zwei Mittelklasseautos in Carport oder Garage. Hinter dem Haus das obligatorische viel zu große Trampolin, damit die durchschnittlichen 1,5 Kinder, die natürlich Doppelnamen tragen, nicht den ganzen Tag rumnerven.
Beim Thema Doppelname ist mir übrigens aufgefallen, dass das primär den Sinn hat, seine Kinder besser anschreien können. Eskalationsstufe Nr. 1: Das Kind wird mit dem Rufnamen gerufen (daher heißt der so), Eskalationsstufe Nr. 2: der komplette Doppelname wird gerufen. Eskalationsstufe Nr. 3: Alle Vornamen plus Nachname. Ich schweife ab.
Mit dem Beispiel der Vorstadt wollte ich darauf hinaus, dass das Leben dieser meist jungen Familien ziemlich gleich ist. Es ist nicht schrecklich, aber auch nicht aufregend. Mit Anfang 20 träumen viele Menschen von so tollen Dingen – Reisen, Erlebnissen, Verrücktem, und so weiter. Ehe man sich versieht, kommt mit 25 dann der vermeintliche Traumpartner, die Ehe, die Schwangerschaft, das Kind und das eben erwähnte Häuschen oder für Hipster die Eigentumswohnung in der Großstadt, in der man sich dann nur noch mit ökologisch perfektem Lastenfahrrad bewegt.
Die Ziele dieses Lebensweges sind in Stein gemeißelt: Kurzfristiges Ziel ist das Wochenende, mittelfristiges Ziel der nächste Urlaub und langfristiges Ziel die Rente. Es gibt dann noch Zwischenziele wie der eigene Ofen (offene Kamine sind ja verboten) im Wohnzimmer oder der Pool im Garten. Was machen diese Leute eigentlich, wenn die Grünen wirklich Einfamilienhäuser verbieten? Egal.
Macht dieser Lebensweg glücklich? Meine Antwort darauf könnt ihr euch denken. Aber auch die meisten dieser Menschen macht das wohl kaum glücklich, was auch nicht dadurch wieder gutgemacht werden kann, dass das Kind so süß ist und man sich immer Kinder gewünscht hat. Selbst wenn man seinen Partner seit vielen Jahren einfach nur noch scheisse findet, wartet man mit Trennung und Scheidung, bis die Kinder aus dem Haus sind, um das Kindeswohl nicht zu gefährden. Doch mal ehrlich: Ist das besser für die Kinder? Schieben wir unsere Träume doch einfach immer weiter auf: Bis die Kinder alt genug sind, bis das Haus abbezahlt ist oder einfach bis zur Rente. Wenn dann nicht wieder etwas dazwischen kommt. Doof ist auch, wenn man vor Renteneintritt stirbt oder später weder genug Kraft noch Geld hat. Ich hätte jetzt fast geschrieben, dass man in diesem Fall sein Leben verschwendet hat. Aber diese Einschätzung obliegt jedem selbst.
Man nennt es ganz schlicht Alltag. Dieser Alltag ist für so viele Menschen das Maß aller Dinge. Es ist ein zu erreichendes Ziel, einen möglichst angenehmen und immer gleichen Tages- oder Jahresablauf zu haben. Hilfe, nein! Für mich ist das ein Albtraum. Jeden Tag das Gleiche. Die gleichen Menschen, die gleiche Umgebung. Nein. Man verbringt so viel Zeit in seinem 9to5-Job, dass man gar nicht merkt, wie die Jahre an einem vorüberziehen. Am Ende wacht man auf und ist tot, zumindest innerlich.
Viel Arbeiten ist in Deutschland hoch angesehen. Berichtet man von seiner anstrengenden 60-Stunden-Woche, bekommt man Anerkennung und Lob. Das die Kinder vereinsamen und die Frau fremdgeht, weil man ihr keine Aufmerksamkeit mehr schenkt, wird nicht betrachtet. Vor kurzem habe ich einen Radiobericht über die Situation in Amsterdam gehört. Berichtet man hier von einer 60-Stunden-Woche, bekommt man Mitleid und Hilfe angeboten. Man ist ja ganz offensichtlich mit seinem Job überfordert, wenn man so viel Zeit für dessen Erfüllung braucht. Und ja, das sehen die Niederländer wohl richtig. Erst das Leben, dann der Job. Erst Familie, Freunde und Kinder, dann das Geld.
Die ultimative Hölle des Alltags. Okay, das klingt übertrieben, dennoch nehme ich es so wahr. Teilnehmer dieses Alltags nutzen jede sich ergebene Möglichkeit, ein bisschen Entspannung und Abwechslung zu genießen. Sobald sich Sonne blicken lässt, was in Norddeutschland selten passiert, fahren sie zu tausenden Richtung Maschsee oder dem Steinhuder Meer (beides Erholungsmöglichkeiten der Region Hannover), um mit anderen Alltäglern durch den Sonntag zu spazieren und in Wirklichkeit schon die ganze Zeit an den nahenden Montag zu denken. Das kurzfristige Ziel des Wochenendes ist fast vorüber. Aber zum Abschluss dessen gibt es abends natürlich noch das Grillen auf der Terrasse. Juhu, willkommen in der perfekten Einöde.



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